Retrospektive Helmut Hainzer, 8.4.2022, 16:00-19:00 Uhr, Eugenio, Schwarzenbergstrasse 8, 1010 Wien.
Eines von wenigen Jugendfotos: Ein weltmännisches Lächeln auf den Lippen, Stirnband, eleganter Sweater, Sonnenbrille am Kragen, blankgeputzte Reitstiefel. Er präsentiert sich auf der Kühlerhaube eines luxuriösen Mercedes aus den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts wie in einem Symposion, den Gelagen hedonistischer Griechen des Altertums. Ein Dandy? Ein Schauspieler? Manche seiner Freunde würden ihn so sehen.

Aus gutbürgerlichem Villacher Hause, der Vater angesehener Werkstättenmeister, die Mutter Couturiere, man geht in die Oper, wird zu Vernissagen eingeladen. Der Onkel war Verkehrsminister, man erwartet Karriere vom präsumptiven Schwiegersohn einer adäquaten „Partie“, wie das früher so schön hiess. Junge Damen finden ihn attraktiv, ebenso wie ein Teil der männlichen Jugend. Diese meist ebenso gut aussehenden jungen Männer sind wiederum sein Revier. Die Mutter spürt es, der Vater typischerweise kaum oder ignoriert es.
Kunst war von Beginn an ein grosses Thema, während der Schulzeit verbringt er ein halbes Jahr in England, studiert Grafik in Dover. Allerdings bedeutet das, wie so oft, keine ernstzunehmende Laufbahn, zumindest für seine bürgerliche Umgebung. Aber die Waldorfschule verstärkt diese Sehnsucht, ermöglicht einen weiten Horizont, bietet den Ausgangspunkt für ein intellektuelles und künstlerisches Leben.

Aber die Vernunft siegt, würde der Mainstream sagen, er geht in die Bank, wird später von einer Investmentbank abgeworben, steigt auf, befasst sich mit Aktien und Börse, ist erfolgreich. Und malt.
Malt mit Instinkt. Malt ein Portrait seiner Cousine genau in jener Nacht, als diese in jungen Jahren stirbt, ohne dies zu wissen. Eines Tages wirft er alles hin, geht nach Wien, studiert bei Oberhuber an der Angewandten, knüpft Beziehungen, macht Regie beim ORF und für Theater und Tanz. Eine neue Karriere scheint sich anzubahnen, einige Ausstellungen versprechen einen zarten Beginn. Er spielt ein bisschen das Spiel der Selbstinszenierung, bewegt sich in jenen Kreisen, die man braucht, um sich einen Namen zu machen. Eine seiner besten Freundinnen ist Winnie Markus, in seiner Korrespondenz tauchen prominente Namen auf.
Und doch – es reicht nicht. Er ist nicht extravertiert genug, spielt sich nicht ausreichend in den Vordergrund, lässt sich eine Reihe von Projekten unter den Füssen wegziehen – und ist trotzdem nicht nachtragend. Er zieht sich zurück in sein Atelier und malt, malt, malt.

Der Tod der Mutter ist ein gravierender Einschnitt in seinem Leben, es trifft ihn hart. Endlich trifft er die Liebe seines Lebens, beide Partner geben einander die Stabilität, die sie beide nötig haben. Der Tod des Vaters ist dann sein Coming Out, beim Begräbnis erscheint er mit seinem Freund, die Grossfamilie reagiert mit gemischten Gefühlen. Ein „Brief an den Vater“ wird an der Bahre verbrannt, ein letzter sehr emotionsreicher Abschied, ganz im Gegensatz zum Äquivalent des von dessen Vater tyrannisierten Franz Kafka, der im „Brief an den Vater“ ein minutiöses Psychogramm einer missglückten Beziehung erarbeitet. Beide Väter haben diese Briefe nie bekommen.
Er ist glücklich. Ist er es? Man reist viel, die Fotos zeigen einen strahlenden, kraftstrotzenden Mann im besten Alter. Helmut malt, malt, malt, immer expressiver, immer wuchtiger, manche Bilder sind geradezu emotionale Explosionen. Aber, obwohl das Atelier direkt unterhalb der gemeinsamen Wiener Wohnung liegt, ist es in Wirklichkeit ein Rückzugsort einer Seele, die sich meilenweit aus der Wirklichkeit entfernt hat. Kaum jemand hat Zutritt, kaum jemand sieht, was er geschaffen hat. Andere werden bekannt, nicht zuletzt auch durch seine Arbeit, er bleibt unbedankt. Im Zuge des immer problematischer werdenden Krankheitsverlaufs werden die Bilder immer düsterer.

Der Schauspieler hatte keine Bühne. Diese Bühne soll er jetzt haben.

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